„Die Bücher, die ich rief, die werd' ich nun nicht los.“ Dieser Fall tritt nicht nur im überfüllten, heimischen Bücherschrank auf, sondern auch in Bibliotheken. Leicht ist es, Bücher zu kaufen, schwer, sie wieder los zu werden. Im Bibliothekswesen tritt dann möglicherweise die Deakquisition in Kraft. Unter Deakquisition versteht man „die aktive Ausscheidung bestimmter Dokumente, die sich im Besitz oder Eigentum einer Bibliothek befinden.“ Die aktive Ausscheidung unterscheidet sich von der passiven Ausscheidung durch Diebstahl, Feuer, Wasser oder Schlamperei, über welche allerdings noch seltener gesprochen wird als über die aktive Ausscheidung.
Einer Stadt- und Landesbibliothek in einer deutschen Landeshauptstadt wurde kürzlich seitens einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft der Vorschlag gemacht, „veraltete wissenschaftliche Buchbestände“ auszusondern und die freiwerdenden Magazinräume zur Vermietung anzubieten, um so dem Kommunalen Immobilienservice zu Einnahmen zu verhelfen.
Die Rechtslage steht solchen Verfahrensweisen in der Regel nicht entgegen. Wir teilen allerdings die Ansicht der Wirtschaftsprüfer nicht. Bibliotheken dienen im Gegensatz zu Buchhandlungen nicht der Erzielung von monetären Gewinnen. Es gehört vielmehr zu ihrem Charakter, dass sie Geld verbrauchen, um Gewinne zu erzielen, die nicht monetär messbar sind. Dabei schlagen die Kosten der Anschaffung nicht allein zu Buche. Die Einarbeitung kostet bei dem komplizierten Aufnahmesystem, wie es in der UB verwendet wird, mindestens eine halbe Stunde Arbeitszeit pro Titel. Bei vielen Druckerzeugnissen ist somit die Aufnahme teurer als das Erzeugnis selbst. Rechnet man die Gebäude- und Heizkosten über Jahrhunderte hinzu, so wird klar, dass die Anschaffungskosten der Bücher in der Regel kaum die Kosten ihrer Aufbewahrung rechtfertigen. Bibliotheken sind zwangsläufig unwirtschaftlich, denn sie wurden in einer Zeit erfunden, als die Regierungen noch glaubten, Kultur vermitteln zu müssen, ohne die Hand aufzuhalten.
Auch unsere Satzung besagt in § 3, dass wir uns um „Zusammenfassung, Erhaltung und Verwaltung von gartenbaulichen Fachbüchereien“ kümmern müssen. Darum behalten wir „veraltete wissenschaftliche Buchbestände“ nicht nur, sondern schaffen solche sogar neu an, obwohl sie ganz eindeutig veraltet sind.
Und doch haben auch wir ungewünschte Bücher. Doppelte, sachfremde, irrelevante. Früher wurde alles aufgenommen. Heute geben wir zu, dass es im Einzelfall besser sein kann, Bücher auszuscheiden statt den Vorgang der Titelaufnahme auszulösen. Deshalb gibt es die Dublettenliste und einen Papierkorb. Bei nicht verwertbaren Zeitschriftendubletten schneiden wir vor dem Wurf in den Papierkorb die biographischen Nachrichten heraus und ordnen sie in unsere biographische Sammlung ein.
Rund zwanzig Jahre lang haben wir versucht, nebenbei Dublettenlisten zu erstellen, die zuletzt an dieser Stelle online verfügbar waren. In Ermangelung von Personal, das sich dieser Aufgabe kontinuierlich widmet, war sie aber nie recht aktuell und vollständig. Als dann auch noch der Platz in unserem Archiv eng wurde, haben wir uns entschlossen, die Dubletten an Monographien geschlossen an die Bibliotheca Botanica abzugeben, wo eine ordentliche und fachgerechte Verwertung sichergestellt ist.
Zeitschriftendubletten sind weiterhin vorhanden, und auch andere Dubletten kommen immer wieder herein durch Geschenke, Austausch von Exemplaren oder Fehlkäufe. Es lohnt sich also weiterhin, bei uns vorbeizuschauen oder nachzufragen.
Clemens Alexander Wimmer